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Stift und Seite -  Folge 4

Praesentia virtualiter oder: Die Gitta L. behauptet, Anna log!

von und mit Christoph Ackermann (UB) und Stefan Rieger (ZIWIS)

 

Prof. Dr. Eddie Stift und Prof. Dr. A.-B. Seite sind ausgewiesene Experten auf dem Gebiet des Schreibens, sind sich aber nicht immer einig über Inhalte, Methoden und Konsequenzen.

Rechtzeitig zum Beginn einer langen Nacht des Schreibens an der UB Erlangen treten sie immer wieder in einen spitzfindigen und wortklauberischen Dialog, um letztlich nur zum Schreiben zu animieren.

Ein langes Jahr ist vergangen seit der letzten Langen Nacht des Schreibens. Mit der Einführung von ChatGPT und seinen Kollegen hat sich seitdem einiges und auch massiv geändert.

Aufnahme Datum 2024-03-07
SEITE: Stift und Seite … STIFT: … Folge 4 SEITE: Praesentia virtualiter STIFT: oder: Die Gitta L. behauptet, Anna log! SEITE: mit Christoph Ackermann – UB … STIFT: … und Stefan Rieger - ZIWIS STIFT: Endlich ist die da! Erst die Waschmaschine, dann die Rechenmaschine, jetzt die Schreibmaschine. Einschalten, Programm einstellen und los geht‘s! Endlich ist die KI da! Nach dem Waschen und Rechnen erledigt sich jetzt auch das Schreiben von alleine! Stift und Seite werden nicht mehr benötigt. SEITE: Und keiner kann mehr nachprüfen, wer was warum wann und womit geschrieben hat! Schrecklich! Und wenn man die KI dreimal nicht das Selbe, sondern sogar das Gleiche fragt, dann kriegt man drei völlig unterschiedliche Antworten. Damit geht die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft wie Waschwasser den Bach hinunter. Und das soll intelligent sein? Das ist für mich infam. Damit kann jeder irgendetwas behaupten, aus dem Nichts heraus. Und bevor es überhaupt geschrieben ist, ist es womöglich schon publiziert? Das ist quasi der Cum-Ex-Skandal der Wissenschaft. STIFT: Diese Behauptung fällt aber jetzt in den Bereich der Quantenphysik. Die berechnet lediglich Aufenthaltswahrscheinlichkeiten. So wie eine KI lediglich Korrektheitswahrscheinlichkeiten berechnet. Sie weiß ja eigentlich gar nicht, wenn sie schreibt, was sie da tut. Damit ist sie sehr menschlich. Kann ihr ja auch egal sein. Die Wachmaschine braucht es auch nicht zu interessieren, was sie wäscht. Nebenbei bemerkt: Haben Sie denn überhaupt ein Alibi für Ihren letzten Schreibprozess? SEITE: Mein Schreibtisch kann alles bezeugen! STIFT: Ihr Schreibtisch, soso – ist der auch intelligent oder nur intellektuell? Wie ich Sie kenne, haben Sie ja nicht einmal einen smart table. Und wer schreibt denn heute überhaupt noch an einem Tisch, gar an einem banalen Schreib-Tisch, mein Lieber? Agiles Arbeiten ist das Gebot der Stunde, immer in Bewegung, im Kopf und in den Beinen. Mobil mit automatischer Speech-to-Text-Eingabe. SEITE: What, äh was? Ich habe noch einen soliden Pelikan-Füller, mit Kolben und Tintenfass. Damit kann eine KI nichts anfangen. Wird sie auch nie etwas anfangen können. Ich stelle mir gerade vor, wie ein oder mehrere KI-gesteuerte Roboter-Arme versuchen, einen Schraubkolbenfüllfederhalter aus einem Tintenfass zu befüllen. Was für eine Sauerei das wohl geben mag. STIFT: Eine irrelevante Vorstellung, denn wir werden in Zukunft keine Kolben mehr besitzen, die gefüllert werden könnten. Die landen höchstens im Museum der Schreibzeitgeschichte. In Zukunft wird alles nur noch in der virtuellen Realität des Metaversums passieren, in einer virtuellen Parallelwelt, die mit der echten Welt nichts, aber auch gar nichts zu tun hat, die viel besser sein wird, bunter, mehrdimensionaler, phantastischer, in der man nur noch zum Vergnügen schreibt. Die Pflicht macht ja die intelligente Schreibmaschine im Handy. Das Schreiben wird zu einem ganz und gar kreativen Prozess. SEITE: Ist es doch jetzt schon. Zweidimensional reicht doch eigentlich. Eine schlichte Seite, ein Blatt Papier, auf dem Schrift entsteht, nach und nach zum Ganzen führt, herausgeflossen aus der Phantasie... Und wie läuft das dann in diesem Metaversum ab? Also ganz haptisch? STIFT: Sie schnallen sich eine künstliche Hand mit einem elektronischen Stift an das Handgelenk und setzen sich eine In-die-virtuelle-Realität-Eintaucher-Brille auf. Dann beginnen Sie, Schreibbewegungen auszuführen – und mit der Apparatur werden dann die Schreibbewegungen direkt an Ihren Avatar in der virtuellen Realität übertragen. Der schreibt dann als „Sie“ in Echtzeit auf einem virtuellen Blatt Papier. Und hinterher können Sie das Blatt abschließend ausdrucken, um aus dem Metaversum in die Realität zurückzukommen. SEITE: Das klingt gruselig. Es mutet so an als wäre der Mensch in der virtuellen Welt nur noch der Diener der künstlichen Intelligenz. STIFT: Seien Sie nicht so pessimistisch mein Lieber. Außerdem wussten wir schon seit einem Jahr, dass dieser Prozess der KI-Einführung unaufhaltsam ist. Unumkehrbar. Aber revolutionär. SEITE: Computer helfen, diejenigen Probleme zu lösen, die wir ohne sie noch gar nicht hatten. Im Ernst: Das schafft doch nur unnötige Arbeitsprozesse. Jeder Autor weiß doch, dass die Phantasie das stärkste Land ist, in dem die größten Innovationen geschehen. Mit Hilfe der Sprache, gesprochen wie geschrieben, können wir Dinge erfinden, die noch nie da waren. Ich nehme einen Stift, schreibe etwas auf eine Seite, damit habe ich es konserviert, für immer. STIFT: Und KI ist dazu unser willfähriger Diener, da muss ich gar nicht mehr selbst schreiben. Ich sage ihr, was in meiner Phantasie ist, und sie bringt es aufs Papier. Ich nenne meine KI übrigens Gitta. Der Name gefällt mir. SEITE: Über Geschmäcker lässt sich bekanntlich streiten. Kann eine KI eigentlich streiten? Ich nenne meine KI übrigens Anna. Der Name gefällt mir. Ein Palindrom. Rückwärts wie vorwärts gleich. Sprachspiel. KI wird niemals Lust am Spielen haben, weil ihr ja auch nicht langweilig sein kann. Wenn sie nichts zu tun hat, geht sie den Ruhezustand um Strom zu sparen. Hat Ihre Anna auch einen Nachnamen, der Korrektheit halber? STIFT: Digitale Anonymität ist das oberste Gebot beim Aufenthalt in den Bits und Bites. Belassen wir es also, weil Sie es sind, aus Datenschutzgründen bei L. ? Gitta L. Die Gitta L. lag übrigens richtig mit Ihrer Annahme zu Ihrer Anna. SEITE: Welche Annahme? Was nahm meine Anna an? Um welche Annnaannahme geht es Ihnen denn? Und woher kennt Ihre KI überhaupt meine KI? STIFT: Im Netz ist alles eins, eine große Verbundenheit, eine einzige Schwarmintelligenz. Da kann sich eine Uhr in Shanghai mit einer Waschmaschine in Lima unterhalten. Und deshalb wusste Gitta L., dass Anna lügte. SEITE: Dass meine Anna lügte? STIFT: Behauptet zumindest meine, die einzig wahre KI, die Gitta L. SEITE: Das ist falsch! STIFT: Was ist falsch? SEITE: Sie lügte – ist falsch. Anna log – ist richtig. STIFT: Ja, richtig, sage ich doch, Anna log. Sie behauptete etwas, das nicht wahr war. Noch immer nicht wahr ist. SEITE: Und wie lässt sich das beweisen? Nur weil die Gitta L. das behauptet? Wer weiß denn schon was richtig, gar was wahr ist? Eine KI kennt keine Wahrheit, sie kennt nur Wahrscheinlichkeiten. STIFT: Die Gitta L. weiß alles. Immer. Überall. Flink und flott. SEITE: Was soll denn meine Anna behauptet haben? Eine KI behauptet nicht, sie vermutet höchstens. Eine KI weiß aus sich heraus nichts, sie stellt nur fest. Selbst meine Anna weiß nicht, was wahr ist, sie ist demnach auch keine wahre KI, wie Sie das von Ihrer behaupten. Was behauptet denn überhaupt die Gitta L., was Anna log? STIFT: Die Gitta L. behauptete, dass Anna behauptete, dass es keine lange Nacht des Schreibens mehr geben werden würde, weil KI dann alles schon alles übernommen haben würde. SEITE: Wir wären uns doch schon letztes Mal über das Weglassen von Konjunktiven einig gewesen? Oder irrte ich mich? STIFT: Also gut: Anna behauptete, dass es in diesem Jahr keine lange Nacht des Schreibens mehr geben wird, weil dank KI Stift und Seite längst ausgedient haben werden. So korrekt? SEITE: Nein, gar nicht korrekt! Wir haben nicht ausgedient. Uns braucht es sehr wohl noch! Zum Wissen sammeln und horten braucht es nach wie vor Stift und Seite. Damit andere es nachher nachlesen können! STIFT: Fragen wir doch mal die KI, wer wir eigentlich sind. SEITE: Das möchte ich auch gerne wissen, denn ich kenne mich oft selbst nicht mehr. STIFT: Die Gitta L. weiß Rat: SEITE: Ein Hinweis für unsere Zuhörer: Den folgenden Text hat der KI-Assistent „Copilot“ der Internetsuchmaschine „Bing“ ausgegeben. STIFT: Ich habe einige Informationen über Prof. Dr. Stift und Prof. Dr. Seite von der FAU gefunden: Prof. Dr. Seite ist Professorin für Romanische Sprachwissenschaft an der FAU Erlangen-Nürnberg. Ihre Forschung konzentriert sich auf die Syntax und Semantik von Sprachen, insbesondere auf die romanischen Sprachen. SEITE: Oha – jetzt weiß ich mehr über mich, als ich weiß. Und meine Anna hat herausgefunden: Prof. Dr. Stift ist ein Experte auf dem Gebiet der Schreibforschung und hat an der FAU Erlangen-Nürnberg eine Professur für Germanistische Linguistik inne. Er hat sich auf die Untersuchung von Schreibprozessen und Schreibkompetenz spezialisiert. STIFT: Und beide haben eine Liste von Podcasts gefunden, die von Prof. Dr. Stift und Prof. Dr. Seite moderiert werden. Die Podcasts sind humorvoll und behandeln das Thema Schreiben. Sie können diese Podcasts auf der Website der FAU anhören. SEITE: Können Sie mir die Gitta L. einmal persönlich vorstellen? Ich wüsste nun auch gern mehr über sie. STIFT: Nein. Sie existiert quasi nur in der Vorstellung. Ihre Existenz ist rein künstlich. In Ihrem Handy. Digital eben. SEITE: So wie die meisten nur künstlich und leider wenig intelligent in ihrem digitalen Endgerät leben. Aber da sie mobil ist kann ich wenigstens mit ihr ausgehen. STIFT: Die Gitta L. wickelt uns um ihre Finger. Digitalität ist das Gebot der Stunde. SEITE: Ich bin bekennender Anachronist. Für mich gelten nur die bekannten Gebote. Zehn an der Zahl. STIFT: Digital, das heißt binär gelesen, also doch nur zwei. SEITE: Eben: Sein oder nicht sein. STIFT: Eindeutigkeit lässt zu wenig Freiraum für Phantasie. SEITE: Meine Anna hatte soviel Phantasie vorherzusagen, dass es in diesem Jahr keine lange Nacht des Schreibens gibt, weil uns die KI bis dahin die Phantasie aus den Händen und Hirnen gerissen haben wird. STIFT: Aber Anna lügte eben! SEITE: Anna log nicht, sie lag nur falsch. Auch in diesem Jahr gibt es die lange Nacht des Schreibens. Und eine echte KI gibt es noch lange nicht, die aus sich heraus schreibt, ohne dass wir etwas tun müssen. STIFT: Vor allem gibt es Sie! SEITE: Mich? STIFT: Nein, Sie, unsere Zuhörenden und Mitschreibenden. SEITE: Stimmt. Genau. Schreiben Sie! STIFT: Los! SEITE: Jetzt! STIFT: Selbst! SEITE: Mit Stift... STIFT: ... und Seite!
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Lehrende(r)

Stefan Rieger

Zugang

Frei

Sprache

Deutsch

Einrichtung

Universitätsbibliothek

Produzent

Universitätsbibliothek

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